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Ein Land in ständigem Wandel

Durch die großen Umbrüche nach 1990 hat vor allem das südliche Sachsen-Anhalt eine Transformationskompetenz erworben, die für die Bewältigung heutiger Umbrüche wertvoll sein kann. Der Landesheimatbund und das Institut für Landesgeschichte veranstalten deshalb eine zweitägige Industriekultur-Tagung im Deutschen Chemie-Museum Merseburg zum Thema Transformationen.

Die voranschreitende Klimakrise, die Herausforderungen der Digitalisierung, Kriege und Fluchtbewegungen, eine zunehmende Knappheit an Ressourcen, Flächen, Wasser – mit den großen Umbrüchen der heutigen Zeit geht eine große Unsicherheit in der Gesellschaft einher, ob und wie wir diese Prozesse bewältigen können. In welchem Ausmaß werden wir getroffen von weitreichenden Veränderungen, die sich kaum noch aufhalten lassen? Und wohin bewegt sich unsere Gesellschaft? Können wir weiter mithalten in einer sich immer schneller verändernden Welt?

Ostdeutschland, vor allem das Mitteldeutsche Braunkohlerevier im südlichen Sachsen-Anhalt, hat nach 1990 bereits eine große wirtschaftliche, politische, gesellschaftliche und ökologische Transformation von traumatischem Ausmaß bewältigt. Auf neue Realitäten reagieren zu müssen und diese zu gestalten, ist in dem Gebiet zwischen Bitterfeld und Merseburg eher die Regel als der Ausnahmezustand. Beliebte Naherholungsgebiete wie der Goitzschesee und der Geiseltalsee waren bis vor wenigen Jahrzehnten noch Bergbaugruben. Die ehemalige Filmfabrik in Wolfen ist heute ein Filmmuseum. Ehrenamtliche kümmern sich in Harzgerode um die Eisenkunstguss-Sammlung und die Bewahrung der letzten baulichen Überbleibsel des ehemaligen Eisenwerks L. Meyer in Harzgerode. Bisher werden die Erkenntnisse aus diesen transformativen Erfahrungen noch zu wenig gewürdigt.

Insbesondere im südlichen Sachsen-Anhalt sind transformative Prozesse eng verknüpft mit Fragestellungen der Industriekultur, also etwa der Nachnutzung von Industrieflächen, -bauten und -landschaften, aber auch der Frage, wie die Geschichte der Industrie, Wirtschaft und Arbeit erzählt wird. Das Narrativ hat sich nach 1990 entscheidend verändert, als ABM-Kräfte und Ehrenamtliche einen großen Teil der Aufarbeitung bewältigt haben und Vereinsgründungen aus diesem Prozess hervorgegangen sind, die sich noch heute um den Erhalt und die Sanierung von Gebäuden kümmern und diese mit Leben füllen. Der 1993 gegründete Verein Sachzeugen der chemischen Industrie e. V., der das Deutsche Chemie-Museum in Merseburg betreibt, ist ein Beispiel dafür.

Der Begriff der Transformation ist seitdem in aller Munde. Die Entscheidung der Bundesregierung, das Zukunftszentrum für Europäische Transformation und Deutsche Einheit in Halle anzusiedeln oder die kürzliche Einrichtung des Netzwerkes Industriekultur Sachsen-Anhalt tragen seiner Bedeutung für die Kultur- und Wissenschaftslandschaft Sachsen-Anhalts Rechnung. 

In der gemeinsam vom Landesheimatbund und vom Institut für Landesgeschichte am Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt organisierten zweitägigen Tagung Transformationen – Industriekultur in Sachsen Anhalt soll es deshalb darum gehen, die Schnittpunkte und Reibeflächen zwischen Industriekultur und Transformation auszuloten. Während der Tagung, die am 24. und 25. November 2023 in der Hochschule Merseburg und im Deutschen Chemie-Museum stattfindet, beleuchten Expert:innen aus ganz Deutschland und dem europäischen Ausland, wie sich diese beiden großen Begriffe der Gegenwart zueinander verhalten und stellen Beispiele für Transformationen der Landschaft und Natur, der Kultur und der Bildräume vor.